Fasten und Hormone – wann es Frauen gut tut (und wann nicht)

 

Fasten und Hormone – wann es Frauen gut tut (und wann nicht)

Fasten ist seit Jahrtausenden eine Praxis in vielen Kulturen und Religionen. In den letzten Jahren hat besonders das intermittierende Fasten, also das freiwillige und zeitlich begrenzte Verzichten auf Nahrung, an Popularität gewonnen. Es wird oft für seine potenziellen Vorteile gelobt, darunter Gewichtsverlust, verbesserte Stoffwechselfunktionen und eine längere Lebensdauer. Doch was für Männer oft relativ unkompliziert scheint, kann für Frauen eine ganz andere Geschichte sein. Der weibliche Körper ist ein komplexes System, das stark von einem feinen Hormongleichgewicht abhängt. Dieses Gleichgewicht ist sensibler gegenüber äußeren Einflüssen wie Nahrungsentzug als oft angenommen. Die Frage ist also nicht, ob Fasten gut oder schlecht ist, sondern wann und wie es für Frauen sinnvoll ist – und wann nicht.

Warum der weibliche Hormonhaushalt so besonders ist

Frauen haben einen einzigartigen Hormonhaushalt, der sich im Laufe ihres Lebens und sogar innerhalb eines Monats dramatisch verändert. Östrogen und Progesteron sind die Hauptakteure, die den Menstruationszyklus steuern, die Fortpflanzungsfähigkeit beeinflussen und eine Rolle bei unzähligen anderen Körperfunktionen spielen, von der Knochengesundheit bis zur Stimmung. Daneben spielen Schilddrüsenhormone, Cortisol (das Stresshormon) und Insulin eine entscheidende Rolle für das allgemeine Wohlbefinden.

Der weibliche Körper ist evolutionär darauf ausgelegt, potenzielle Schwangerschaften zu schützen und zu unterstützen. Das bedeutet, dass er sehr empfindlich auf Anzeichen von Nahrungsknappheit oder Stress reagiert. Wenn der Körper das Gefühl hat, dass nicht genügend Energie vorhanden ist, um eine Schwangerschaft zu unterstützen, kann er reproduktive Funktionen herunterfahren, um Energie zu sparen. Dies äußert sich in hormonellen Veränderungen, die weitreichende Folgen haben können.

Die vielversprechenden Vorteile des Fastens – auch für Frauen

Bevor wir uns den Risiken zuwenden, ist es wichtig, die potenziellen positiven Aspekte des Fastens für Frauen zu beleuchten, wenn es richtig angewendet wird:

Verbesserte Insulinsensitivität

Eine der größten Stärken des Fastens ist seine Fähigkeit, die Insulinsensitivität zu verbessern. Das bedeutet, dass die Zellen besser auf Insulin reagieren, was den Blutzuckerspiegel stabilisiert. Dies kann besonders vorteilhaft sein für Frauen mit Insulinresistenz, Prädiabetes oder dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS), bei dem Insulinresistenz eine häufige Ursache für Hormonungleichgewichte ist. Ein stabilerer Blutzucker kann Heißhungerattacken reduzieren und zu einer besseren Energieversorgung führen.

Gewichtsmanagement und Fettabbau

Intermittierendes Fasten kann Frauen helfen, Gewicht zu verlieren, insbesondere Körperfett. Durch die Reduzierung des Essensfensters kann die Kalorienaufnahme oft natürlicherweise sinken. Zudem schaltet der Körper während des Fastens von der Glukoseverbrennung auf die Fettverbrennung um, was den Fettabbau fördern kann.

Autophagie und Zellregeneration

Autophagie ist ein zellulärer Reinigungsprozess, bei dem alte und beschädigte Zellbestandteile abgebaut und recycelt werden. Dieser Prozess wird durch Fasten angeregt und trägt zur Zellgesundheit, Entzündungshemmung und möglicherweise zur Langlebigkeit bei. Dies ist für beide Geschlechter von Vorteil und kann das allgemeine Wohlbefinden steigern.

Klarheit und Energie

Viele Frauen berichten von erhöhter geistiger Klarheit, verbesserter Konzentration und einem stabileren Energieniveau, nachdem sie sich an eine Fastenroutine gewöhnt haben. Dies könnte mit der stabileren Blutzuckerregulation und der Umstellung auf Ketonkörper als Energiequelle zusammenhängen.

Wann Fasten Frauen wirklich guttut

Fasten ist kein Einheitskonzept. Für Frauen ist es entscheidend, die richtige Art und Weise zu finden:

  • Bei Insulinresistenz und PCOS: Sanftes intermittierendes Fasten (zum Beispiel 12/12 oder 14/10 Stunden, also ein 12- oder 14-stündiges Fastenfenster) kann hier sehr hilfreich sein, um die Insulinsensitivität zu verbessern. Eine längere nächtliche Fastenphase gibt dem Körper Zeit, den Blutzucker zu regulieren.
  • In den Wechseljahren: Für Frauen in den Wechseljahren, deren Östrogenspiegel sinkt und die oft mit Gewichtszunahme und Hitzewallungen kämpfen, kann Fasten eine Unterstützung sein. Es kann helfen, den Stoffwechsel anzukurbeln und Entzündungen zu reduzieren. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, da extreme Fastenformen in dieser Phase den Körper zusätzlich stressen könnten. Kurze Essenspausen oder sanftes Zeitfensteressen sind oft am besten.
  • Bei guter allgemeiner Gesundheit und niedrigem Stresslevel: Wenn der Körper gut genährt ist, der Schlaf ausreichend ist und das Stresslevel niedrig ist, kann Fasten als sanfter Impuls für den Stoffwechsel dienen.
  • Angepasst an den Menstruationszyklus: In der ersten Hälfte des Zyklus (follikuläre Phase, von der Periode bis zum Eisprung) sind Frauen oft toleranter gegenüber Fasten, da der Östrogenspiegel steigt und der Körper robuster ist.

Wann Fasten Frauen nicht guttut – die roten Flaggen

Hier liegt der Knackpunkt. Der weibliche Körper reagiert empfindlicher auf Kalorienrestriktion und Stress. Ignoriert man dies, können die Folgen unangenehm bis schädlich sein.

Der Einfluss auf den Menstruationszyklus

Die wichtigste Einschränkung beim Fasten für Frauen ist der Menstruationszyklus. Wenn der Körper eine Energieknappheit wahrnimmt, reagiert er darauf, indem er die Produktion von GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) im Gehirn reduziert. GnRH ist der Taktgeber für die Produktion von LH (Luteinisierendem Hormon) und FSH (Follikelstimulierendem Hormon), die wiederum für die Reifung der Eizellen und den Eisprung unerlässlich sind. Die Folge kann ein unregelmäßiger Zyklus, das Ausbleiben der Periode (Amenorrhoe) oder sogar eine vorübergehende Unfruchtbarkeit sein.

  • Follikuläre Phase (Tag 1 bis Eisprung): Hier ist der Körper tendenziell widerstandsfähiger. Kurze Fastenperioden wie 12-14 Stunden können in dieser Phase gut vertragen werden.
  • Ovulatorische Phase (um den Eisprung herum): Dies ist eine empfindliche Zeit. Extreme Fastenformen sollten vermieden werden, da der Körper für den Eisprung ausreichend Energie benötigt.
  • Lutealphase (nach dem Eisprung bis zur Periode): In dieser Phase dominiert Progesteron, und der Körper bereitet sich möglicherweise auf eine Schwangerschaft vor. Der Energiebedarf ist tendenziell höher. Lange Fastenzeiten können hier als erheblichen Stress wahrgenommen werden. Viele Frauen fühlen sich in dieser Phase energieloser und brauchen mehr Nahrung.
  • Während der Periode: Viele Frauen erleben während ihrer Menstruation bereits Symptome wie Krämpfe, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Der Körper leistet Schwerstarbeit. Fasten kann diese Symptome verschlimmern und zusätzlichen Stress verursachen. Es ist ratsam, in dieser Zeit auf Fasten zu verzichten und den Körper mit nährstoffreicher Nahrung zu unterstützen.

Erhöhtes Stresshormon Cortisol

Fasten ist eine Form von (positivem) Stress für den Körper. Wenn eine Frau bereits unter chronischem Stress leidet (Beruf, Familie, Schlafmangel), kann zusätzlicher Stress durch Fasten zu einem Anstieg des Cortisolspiegels führen. Chronisch hohe Cortisolwerte können zu Schlafstörungen, Angstzuständen, Gewichtszunahme (besonders am Bauch), Muskelschwund und einer weiteren Störung des Hormonhaushalts führen.

Negative Auswirkungen auf die Schilddrüse

Längere oder zu häufige Fastenperioden können die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen, indem sie die Umwandlung des inaktiven Schilddrüsenhormons T4 in das aktive T3 reduzieren. Dies kann zu Symptomen einer Unterfunktion führen, wie Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit und Haarausfall, selbst wenn die Schilddrüse an sich gesund ist.

Vermeiden bei bestimmten Gesundheitszuständen

Fasten ist nicht für jede Frau geeignet. Es sollte unbedingt vermieden werden bei:

  • Schwangerschaft und Stillzeit (ausreichende Nährstoffzufuhr ist entscheidend für Mutter und Kind).
  • Untergewicht oder Essstörungen (oder einer Vorgeschichte davon).
  • Chronischem Stress, Burnout oder Nebennierenerschöpfung.
  • Bekannten Hormonstörungen wie Schilddrüsenunterfunktion, unreguliertem Diabetes.
  • Kinderwunsch oder bestehender Unfruchtbarkeit.
  • Starkem Haarausfall, extremer Müdigkeit oder Schlaflosigkeit, die bereits vor dem Fasten bestanden.

Hormone im Fokus: Was Fasten bewirken kann

Einige der wichtigsten Hormone, die durch Fasten bei Frauen beeinflusst werden können, sind:

  • Insulin: Geringere Mahlzeitenfrequenz und verbesserte Sensitivität sind meist positiv.
  • Cortisol: Kann bei zu aggressivem Fasten oder hohem Grundstress erhöht sein.
  • Schilddrüsenhormone (T3, T4): Können bei extremem oder längerem Fasten sinken.
  • Leptin: Ein Sättigungshormon, das bei zu wenig Nahrungszufuhr durcheinander geraten kann, was den Stoffwechsel verlangsamt.
  • Gonadotropine (LH, FSH), Östrogen, Progesteron: Sehr sensibel gegenüber wahrgenommener Energieknappheit, kann den Zyklus stören.

Praktische Tipps für Frauen, die fasten möchten

Wenn Sie als Frau Fasten ausprobieren möchten, tun Sie es klug und achtsam:

  1. Starten Sie sanft: Beginnen Sie mit einem kurzen Fastenfenster, zum Beispiel 12 Stunden über Nacht (das heißt, Sie essen zwischen 19 Uhr abends und 7 Uhr morgens nichts). Wenn Sie sich damit wohlfühlen, können Sie schrittweise auf 13 oder 14 Stunden erweitern. Extreme Fastenformen wie 24-Stunden-Fasten oder längere Perioden sind für die meisten Frauen nicht empfehlenswert.
  2. Hören Sie auf Ihren Körper: Dies ist der wichtigste Tipp. Fühlen Sie sich energiegeladen und klar? Oder sind Sie gereizt, müde, hungrig oder frieren Sie? Negative Symptome sind ein deutliches Zeichen, dass Fasten gerade nicht das Richtige für Sie ist.
  3. Passen Sie das Fasten an Ihren Zyklus an:
    • Follikuläre Phase (Periode bis Eisprung): Hier können Sie Fastenintervalle von 14-16 Stunden gut vertragen.
    • Lutealphase (nach dem Eisprung bis zur Periode): Reduzieren Sie das Fasten. Bleiben Sie bei 12 Stunden oder verzichten Sie ganz darauf. Ihr Körper braucht in dieser Zeit mehr Nährstoffe.
    • Während der Periode: Fasten Sie nicht. Konzentrieren Sie sich auf nahrhafte, wärmende Speisen.
  4. Achten Sie auf nährstoffreiche Mahlzeiten: Wenn Sie essen, wählen Sie vollwertige, nährstoffdichte Lebensmittel. Genug Proteine, gesunde Fette und komplexe Kohlenhydrate sind entscheidend, um den Körper auch in den Essensfenstern optimal zu versorgen.
  5. Bleiben Sie hydriert: Trinken Sie während des Fastens ausreichend Wasser, ungesüßten Tee oder schwarzen Kaffee. Elektrolyte können bei längeren Fastenperioden sinnvoll sein.
  6. Stressmanagement: Fasten darf kein zusätzlicher Stressor sein. Achten Sie auf ausreichend Schlaf, Bewegung und Entspannung.
  7. Konsultieren Sie einen Experten: Besonders wenn Sie unter Vorerkrankungen leiden, schwanger sind, stillen oder unter hormonellen Problemen leiden, sprechen Sie vor Beginn einer Fastenkur mit Ihrem Arzt oder einem erfahrenen Ernährungsberater.